HBO ist ein amerikanischer Pay-TV Sender. Anders als hierzulande Premiere (bzw. jetzt Sky) besticht dieser Sender durch eine große und stetig wachsende Auswahl an extrem hochwertigen Eigenproduktionen. Eine kleine Auswahl aus der jüngeren Vergangenheit: The Sopranos, Band of Brothers, Six Feet Under, The Wire, Deadwood, Rome, The Pacific, True Blood. Dies stellt nur einen kleinen Teil dessen dar, was mit riesigem Geldaufwand (oft auf oder über dem Niveau vergleichbarer Kinoproduktionen) für das zahlende Publikum realisiert wird.
Aber HBO hat nicht nur viel Kapital zur Verfügung, sondern profitiert auch von einem Schlupfloch in der amerikanischen, nunja, wie soll man es nennen, "Moralgesetzgebung". Im normalen Rundfunk sind Schimpfwörter, Sex und Gewalt nur sehr eingeschränkt möglich (auch wenn diese Regelungen nun offenbar unter juristischem Beschuss stehen). Verstöße ziehen empfindliche Strafen nach sich. Doch Bezahl- und Satellitensender genießen erstaunliche Freiheiten. Solange die Grenze zu harter Pornographie nicht überschritten wird, ist ein nahezu beliebiges Maß an Gewalt, Sex und eben auch "Swearing" möglich und zulässig (daher der für manche etwas irritierende Titel dieses Beitrages).
Anstatt jetzt wie Fox diese Gelegenheit zu nutzen, um billiges Proletenfernsehen rund um "Stars" und anderen Nonsens zu produzieren, wird schon beim Schreiben der Drehbücher und bei der Auswahl der Themen und Szenarios für die Serien und Miniserien die Freiheit ausgekostet. Schonungslos brutale Kriegsserien (Band of Brothers, The Pacific), in denen gestorben, geblutet, geflucht und gevögelt wird, realistische Western (die famose Serie Deadwood) und kreativ-brillant zwischen Mystik und Realismus schwankende Serien wie True Blood sind das Resultat.
Ich bin ein Mensch, der Freiheit über alles schätzt, sogar über Sicherheit. Ich bin auch ein erwachsener Konsument, der sich nicht von irgendwelchen sich übergeordnet fühlenden Moralinstanzen seinen Medienkonsum einschränken lassen will (FSK, USK & BPjM sollten sich angesprochen fühlen). HBO zeigt, wie man ungewöhnliche Freiheit nutzen, sie beim Schopf ergreifen lassen kann und was mit guten Scripts und einer fehlenden Angst vor Tabus möglich ist. HBO ist wie die anderen weniger prominenten amerikanischen Bezahlsender ein einmaliges Phänomen, das nicht aufhören will, weltoffene Zuschauer zu überraschen und zu begeistern.
Nun zu einer eher minder provokanten Frage: Warum gibt es hierzulande soetwas nicht? Geld ist vorhanden, willige Zuschauer auch, aber alles was sie bekommen sind geschnittene Synchronisationen der oben genannten Serien nach nicht selten jahrelanger Verspätung. Warum sind die USA immer noch der Benchmark in Sachen TV-Unterhaltung, warum schaffen es bestenfalls Serien aus GB, an diesem Thron zu rütteln? Nicht falsch verstehen, ich finde die genannten Serien toll und schaue sie begeistert mit der Original-Tonspur, aber wären ähnliche Produktionen aus Europa nicht eine wunderbare Ergänzung, vielleicht sogar eine angenehme Konkurrenz? Es gab und gibt in Europa Bezahlsender, die mit einem Altersfreigabesystem arbeiten. Doch zu einem Großteil beschränken sie sich darauf, die ausländischen Serien wiederzukäuen.
Es gibt viele Gründe, warum ich den Fernseher kaum noch einschalte (< 1x im Quartal). Zu dem ÖR-Filz und dem erbärmlichen Privatprogramm gibt es kaum eine nennenswerte Alternative. Kultursender wie Arte und 3Sat sind eine feine Sache, aber auch sie zeigen im besten Fall nur tolle und ungewöhnliche Fremdproduktionen.
Kann es einen Sender wie HBO in Europa geben? Ich sage: Warum nicht? Binnenmärkte brechen auf, vormalige kulturelle, wirtschaftliche und geschmackliche Grenzen verschwinden. Markt und Publikum sind reif dafür. Aber es fehlt an Mut in diesem Bereich. Die Kirchhoff-Pleite hat das Thema Pay-TV in unseren Breiten mit dem Begriff "Pleite" gleichgesetzt und auch die privaten Sender haben in Zeiten übermächtiger Internetkonkurrenz wenig zu melden. Vielleicht braucht es daher ein neues Modell, fernab des Fernsehens und klassischer Finanzierungskonzepte, für intelligente Serienunterhaltung...
Vorhang auf für
Pioneer One. Okay, intelligente Unterhaltung ist etwas anderes und Script, Ausstattung, Schnitt, Kameraführung wie Darsteller befinden sich noch auf einem eher semi-professionellen Niveau, aber es ist ein Anfang. Pioneer One ist eine kostenlose im Internet über Tauschbörsen, Video- und Downloadportale vertriebene Sci-Fi-Serie. Ich will den durchaus in seinen Grundzügen interessanten Plot nicht spoilern, daher rate ich gleich, auf den obigen Link zu klicken und sich die Pilotfolge (weitere Episoden sind in Produktion) anzusehen. Pioneer One finanziert sich ausschließlich über Spendengelder. Niemand muss dafür bezahlen, niemand muss Werbung dafür ertragen, niemand wird darin eingeschränkt, in welcher Form er das Filmmaterial unentgeltlich weitergeben und teilen darf.
Die Medienwelt befindet sich bekanntlich im Umbruch, neue Finanzierungsmodelle werden verzweifelt gesucht. Ich behaupte, dass man mit einer Kombination aus Spenden (gerne auch von wohlhabenderen Mäzenen), Werbung und Ladenverkäufen bei geschickter Budgetplanung konkurrenzfähige Serien- und Filmunterhaltung produzieren kann. Klar, niemand wird auf dem Weg die 150 Millionen $ einer HBO-Großproduktion wie The Pacific zusammenkratzen, aber das erwartet ja auch keiner. Was ich erwarte und mir für die Zukunft erhoffe ist freie, kreative Unterhaltung, die Grenzen überschreitet und gleichzeitig Brücken baut. Ich wünsche mir eine Erweiterung des vorhandenen Medienangebotes, eine Ergänzung.
Ist das eine unrealistische Wunschvorstellung oder gibt es tatsächlich Chancen, dass nach Pioneer One noch etwas nachfolgt, dass dieser sprichwörtliche Pionier auf seinem Gebiet tatsächlich nur der Anfang war und mehr als bloß ein einfaches Experiment? Die Zeit wird es zeigen...
Hey, ich hab mich schon immer gefragt wie im ach so prueden Amerika eine Serie wie True Blood produziert werden kann. Jetzt weiss ich bescheid, danke! :)