Mittwoch, 24. Februar 2010
Ich muss mal Dampf ablassen...
Computerspiele haben es schwer heutzutage: Auf den großen Märkten, also Japan, USA, UK, sind sie in eine winzige Randnische zurückgedrängt; manche Publisher machen weniger als 5% ihres Umsatzes mit PC-Spielen. In diesen Ländern werden hauptsächlich Spielekonsolen zum Daddeln verwendet, während die oft um Jahre veralteten PCs als Office- und Surfmaschinen herhalten müssen.

In Deutschland ist anders. In keinem Land auf diesem Planeten verfügen Privathaushalte über derart potente PCs, nur in den Ostblockländern und durch Embargos und hohe Einfuhrzölle vom Konsolenmarkt abgeschotteten Nationen wird prozentual mehr auf dem PC gespielt. Auf Quellen verzichte ich hier und weise darauf hin, dass ich das auch in Zukunft tun werde, denn hier geht es um subjektive Kommentare und nicht um zitierfähige Artikel.

Ich bin ein deutscher PC-Spieler, der nach der N64-Konsole nahtlos mit dem PC weitergespielt hat und sich mittlerweile nur noch wegen einiger weniger Exklusivtitel überhaupt vorstellen kann, jemals ein "Video Game System" zu kaufen. Also spiele ich am PC und das hat alles so seine Vor- und Nachteile: Der große Vorteil ist das riesige und überaus vielfältige Softwareangebot, hinzu kommen die universelle und vor allem vollkommen freie Nutzbar- und Erweiterbarkeit der Hardware, die geringen Hürden zur Entwicklung und Veröffentlichung selbst geschriebener Software, die hohe Abwärtskompabilität, die Möglichkeit, alte Hardware im Zweifelsfalle emulieren zu können, undsoweiter undsofort.

Nachteilig ist die hohe Komplexität, die weniger flexible oder schlicht faule Naturen zu den Konsolen abwandern lässt und einem so manches Mal die Nerven ruiniert. Außerdem stören sich die Publisher immer mehr daran, dass es eine vollkommen offene Plattform ist, denn dies erschwert die Kontrolle und Lizensierung ihrer Programme. Als Gegenmittel wurden und werden Kopierschutzmaßnahmen erfunden, die "Raub"kopierer vom Spielen abhalten und, ganz besonders wichtig, oft den so unlukrativen Weiterverkauf verhindern sollen. In der Praxis wird bestenfalls letzteres erreicht, obendrauf fühlt sich der ehrliche Käufer gegängelt, eingeschränkt und seiner Rechte beraubt.

Doch dann kam Valve und entwarf eine neue Art des Kopierschutzes, der alles besser machen sollte: Steam (daher der Titel des Beitrages). Steam verbindet die Möglichkeit der Online-Registrierung mit einem flexiblen Shop-System, Spielstatistiken, Achievements und zahlreichen nützlichen Community-Features wie Freundeslisten, (Voice-)Chat, Foren und wahrscheinlich zig anderen Dingen, die ich noch nicht Zeit hatte zu entdecken.

Etabliert wurde die anfangs belächelte Plattform mit Valves Übershooter und nach Half Life, Counter-Strike und Counter-Strike Source viertem Welterfolg Half Life 2. Dieses Spiel zwang als eines der ersten auf dem Markt alle Käufer, egal ob Laden- oder Onlineversion, zur Registrierung auf der Plattform und band jeden Key an einen Account. Es kam wie es kommen musste:

Die Server brachen unter dem enormen Ansturm zusammen.

Nicht zum letzten Mal, womit wir bei dem aktuellen Anlass für diesen Blogeintrag wären; Es gibt mal wieder Probleme. Ich habe Steam zwangsweise jahrelang ignoriert, denn ich verfügte lange über keine stabile Internetverbindung. Auch als ich die dann besaß, habe ich die Plattform, die ich als reines Nutzergängelungs- und -überwachungsinstrument ansah, gemieden.

Dann hat mir jemand über die tolle Geschenkfunktion Half Life 2 samt Episode 1 geschenkt. Einfach so. Vorher hatte ich schon die bei meiner Grafikkarte mitgelieferten Spielchen (HL2 Deathmatch, welches furchtbar schlecht ist und HL2 Lost Coast, welches eine tolle und empfehlenswerte Erfahrung darstellt) dort aktiviert, aber sonst wenig beachtet.

Nun jedoch hatte ich erstmals Zugriff auf zwei Toptitel und obedrauf einen ersten Kontakt in der Freundesliste, denn der war zum Schenkvorgang erforderlich. Schnell kamen weitere Leute hinzu, denn der integrierte Messenger ist praktisch, zuverlässig, schnell und kann vor allem in nahezu allen mit dem Client vertraut gemachten Spielen verwendet werden.

Mit der Zeit gewöhnte sich das bloggende Plappermaul an die netten Funktionen, kaufte erste Spiele über die Plattform, hatte Spaß und nutzte die Messenger-Funktionen ausgiebig und regelmäßig, was ihm etliche wunderbare Stunden bescherte. Mittlerweile sind 13 gekaufte Spiele und zig Demos und Mods in der Liste, man hat sich gewöhnt und fiebert dem nächsten Weekend-Deal entgegen.

Gestern Abend war meine Freundesliste dann erst nicht erreichbar und anschließend vollständig geleert. Der Schock saß tief, denn es wäre schwierig, alle Kontakte mit der Hand wieder zusammenzutragen. Mir fehlte plötzlich der vertraute Ton eintrudelnder Chatangebote, der mal beiläufige, mal ernste, mal ausgelassene Chat am Abend. Die Stille bedrückt und ärgert, sie zeigt, was die Abhängigkeit von einem Anbieter für Probleme erzeugen kann.

Dies ist weder das erste, noch das letzte Mal, dass solche Probleme auftreten. Regelmäßig gaben die Server der Last der Besucher nach, z. B. bei zahlreichen großen Spielereleases, bei den ersten Weekend-Deals und auch das Freundeslisten-Problem ist wohl nicht neu. Man könnte meinen, eine derart große und wohlhabende Firma wie Valve wäre in der Lage, sich auf einen solchen Ansturm einzustellen, doch sie sind es nicht. Sie scheitern regelmäßig, haben anscheinend nicht verstanden, dass man die Serverkapazitäten auf eine mögliche Maximallast auslegt und dabei trotzdem immer noch eine gewisse Reserve einplant.

Das sind elementare Grundlagen, Dinge, die man als Anfänger eingebläut bekommt. Steam gibt es seit 2002, als Valve sich genötig sah, ein eigenes System zu entwickeln, denn die großen Firmen wie Amazon und Cisco konnten oder wollte nicht helfen. Hier fängt das Problem an. Valve besitzt weniger als 300 Mitarbeiter, ist eine im Verhältnis zu diesen Giganten kleine Firma. Es fehlen Entwicklungskapazitäten, Erfahrung und finanzielle wie hardwareseitige Reserven.

Valve wurde vom Erfolg der Plattform überrollt. Die Firma scheint immer erst eine mögliche Nutzung zu etablieren und sich dann erst Gedanken darüber zu machen, wie sie technisch sauber umgesetzt und zuverlässig zur Verfügung gestellt werden kann.

So kann und so darf es nicht weitergehen! Schon oft wurde prophezeit, dass der amerikanische Entwickler und, dank Steam, Publisher einmal von einer großen Firma geschluckt werden könnte. Die Zeit dafür scheint reifer denn je: HL3 ist weit enfernt, Steam zwar grotesk gewachsen aber immer noch voller Probleme. Valve ist nicht an der Börse notiert, veröffentlicht seit 2005 keine Geschäftszahlen und gibt nur sehr spärlich Informationen über sich raus.

Man ist stolz darauf, einer der größten und finanziell unabhängigsten freien Entwickler zu sein. Doch kann es ewig so weitergehen? Wäre die Firma nicht in einem größeren Konzern viel besser aufgehoben, einem Konzern, der über die zum Unterhalt der Serverinfrastruktur für Steam Mittel und Kapazitäten verfügt? Dann könnte eine sinnvolle Trennung stattfinden: Entwickler auf der einen Seite und Online-Dienst auf der anderen.

Ich rede hier nicht von einem klassischen Publisher als Übernahmepartner, sondern eher von Firmen wie Amazon, Cisco oder Yahoo, die über das für den wichtiger und wichtiger werdenden Onlinevertrieb nötige Kapital und Material verfügen und sich mit einem Spieleentwickler und Publisher dieser hohen Güteklasse weit breiter aufstellen könnten.

Ist das der richtige Weg? Fest steht: Lange kann und wird die Washingtoner "Corporation" nicht mehr unabhängig sein können. Wenn sie ihren Untergang und ihre Überforderung verhindern will, dann sollte sie sich schnell einen starken Partner suchen.

Das ist meine Meinung zu dem Thema. Genaugenommen war das hier eine gigantisch aufgeblasene Beschwerde über die Zuverlässigkeit von Steam. Die Prognose klingt für mich persönlich plausibel, aber vielleicht schafft es Valve auch von alleine, sich aus der Misere, die momentan noch wie ein großer Erfolg aussieht, zu befreien. Die Zeit wird es zeigen, wir dürfen also gespannt sein.

Auf jeden Fall ist mir Steam unendlich viel lieber als Ubisofts kommender Kopierschutzflop, dem ich irgendwas zwischen drei Monaten und zwei Jahren gebe.