Ich sag's direkt: Sie gehört abgeschafft. Kein Russe mehr im Osten und kein Franzose im Westen will uns mehr ans Leder (und wir ihnen offenbar ebenso wenig). Europa ist wie keine andere Region auf dem Planeten wirtschaftlich und politisch derart fest verzahnt. Abgesehen von einigen potentiellen und tatsächlichen Krisenherden im Südosten (Griechenland vs. Türkei, um ein Beispiel zu nennen) gibt es keinen Grund für ein
stehendes Heer. Friede auf Erden gibt es zwar nicht, aber zumindest Frieden in Zentraleuropa.
Ich persönlich hatte das Glück, dass mir dieser unsinnige Dienst an der Waffe erspart geblieben ist. Nasenfahrrad ab, und ich kann keinen Afghani von einem Ami unterscheiden. Simple as that.
Ich bin dafür, einfach den Wehrdienst zu streichen, aber nicht ersatzlos. Warum nutzen wir nicht die Gelegenheit und bauen den Zivildienst aus, erweitern ihn außerhalb der Alten-/Kranken-/Kinderbetreuung. Möglichkeiten und Bedarf gibt es vieles und anstatt zu lernen, wie man in europäischen Mischwäldern Menschen abschießt und Waffen putzt, könnten junge Leute unter Menschen kommen, helfen, Erfahrungen sammeln, sich orientieren.
Für militärische Abenteuer in Übersee wie Somalia, Afghanistan und Kosovo nimmt man einfach eine Freiwilligenarmee wie in den USA (nur ohne Werbung an Schulen und Kindergärten seitens der Rekrutierungsoffiziere). Auch heute wird kein Wehrpflichtiger ohne ein ihn zum Berufssoldaten machendes Einverständnis in den Kampfeinsatz geschickt, weswegen die Abschaffung der Wehrpflicht nicht nur Kosten sparen, sondern wirklich nur die Menschen in die Armee führen würde, die dort auch wirklich etwas verloren haben und die es auch wirklich wollen.
Ich weiß, dass die Bundeswehr ein heikles Thema in Deutschland ist, immer noch. Der alte Beschwichtigungssatz des "Staatsbürgers in Uniform" hat die Adenauerzeit erfolgreich überdauert und fasst in drei Worten ein beliebtes Argument für eine Wehrpflichtarmee und gegen eine Freiwilligentruppe zusammen: Dass die Bundeswehr ein integraler Bestandteil des Volkes ist, dass sie Menschen zu verantwortungsvollen Staatsbürgern formt und dass eine Freiwilligenarmee genau das nicht bieten kann.
Nichts davon stimmt. Indem man mit Sturmgewehren auf Pappziele schießt und mit Panzern im Gelände herumdüst, wird man kein besserer Mensch, nur ein potentiell für seine Mitmenschen "tödlicherer" Zeigenosse. Um verantwortungsvoller Staatsbürger zu sein braucht es Wissen und Umsicht, nicht Gehorsam vor militärischen Vorgesetzten. Ich habe auch schon die Befürchtung gehört, dass sich eine von der Wehrpflicht entkoppelte Truppe zu einem geschlossenen Verein entwickeln, sich abkapseln und zu einem potentiell gefährlichen "Staat im Staate" mutieren könnte.
Warum ist das Unsinn? Weil sich schon heute die BW erheblich absetzt. Erstens wird eine stetig wachsende Zahl an Rekruten ausgemustert, zweitens sind die, die übrig bleiben nur zu einem Teil gewillt, durch den Schlamm zu robben und drittens tendiert dieser harte Kern meist eh politisch nach rechts. Dieser de facto Männerverein Bundeswehr ist schon längst ein Fremdkörper, ein eigener Kosmos mit eigenen Regeln, merkwürdigem Traditionsverständnis (
Buchtipp!) und einem beachtlichen Maß Einfluss. Ich will hier nichts übertreiben, aber daran dürfte sich auch nach Abschaffung der Wehrpflicht nichts ändern.
Zum Glück scheint Boulevard-Liebling zu Guttenberg mal ausnahmsweise seinen politischen Riecher in die richtige Richtung zu drehen und zeigt sich offenbar geneigt, das hier die Beitragsüberschrift darstellende Relikt des Kalten Krieges gegen den Willen mancher konservativer Kräfte aus dem Weg zu räumen. Hoffen wir, dass es ihm gelingt. Mit dem Kostenargument kann man in heutigen Zeiten so manche alten Pfründe schröpfen...
Besser hätte man es nicht sagen können. Wohne zwar in Österreich, aber hier gibt es genauso wenig Grund für Wehrpflicht, wie in unserem lieben Nachbarland ;) Nächstes Jahr werde ich zur Stellung antreten müssen, aber dies ist für mich sowieso irrelevant, da ich lieber Menschen helfen will, anstatt dazu trainiert zu werden, anderen das Leben zu nehmen.
Noch ein Satz zur Doppelmoral: Virtuelle Kriegsspiele sollen verboten werden, während Grünschnabeln reale Waffen in die Hand gelegt werden!
LG Swirrt