Freitag, 19. November 2010
Baustelle
Hier entsteht ein Beitrag über einen deutschen Innenminister. Mit der Fertigstellung ist in Kürze zu rechnen.



Mittwoch, 15. September 2010
Strahlende Landschaften
Deutschland liebt Atomenergie! Deutschland verehrt diesen günstigen Strom und vergöttert die kraftwerksbetreibenden Konzerne! Stimmt nicht? Die Deutschen lehnen Kernenergie mehrheitlich ab? Aber die Volksvertreter, die die Interessen dieser Deutschen vertreten sollen, handeln doch völlig anders! Wie geht das?

Gut, genug rhetorische Spielchen. Zu den Fakten: Die Zukunft ist strahlend! Deutsche Atomkraftwerke werden in wenigen Jahren die am längsten laufenden der Welt sein. Anderswo wird neu gebaut oder, viel besser, abgeschafft, während man in Deutschland sich auf die eigene Werarbeit verlässt. Aber warum?

Warum schenkt man extrem erfolgreichen Energiekonzernen gigantische Geldsummen, riskiert die Sicherheit der Bürger eines ganzen Kontinents ohne auch nur den Ansatz einer ernstzunehmenden Gegenleistung seitens der Konzerne zu bekommen?

Das sind die selben Konzerne, die schon in der Vergangenheit große Probleme hatten, die alten Meiler unter Kontrolle zu halten.

Genau diese Energieanbieter sind es, die den Markt hierzulande genüsslich unter sich aufgeteilt haben und gutsherrschaftlich immer höhere Preise für Firmen und Endverbraucher diktieren. Gleichzeitig beißen die Regierungszombies unter Merkel auf Argumente wie "Atomstrom = günstiger Strom" und "Atomstrom sichert den Übergang zu erneuerbaren Energien!" gierig lechzend an.

Beratungsresistent hat Schwarzgelb Deutschland mit dem "Atomkompromiss" in eine nukleare Sackgasse geritten. Ich bin wirklich jemand, der versucht ruhig und gemäßigt Stellung zu einem Thema zu nehmen, aber in diesem Falle kann und will ich mich nicht zurückhalten!

Ein Vertrag wird zwischen Bundesregierung und Konzernen geschlossen. Dieser Vertrag über Laufzeitverlängerungen, Investitionsbegrenzungen und zahlreiche andere Nettigkeiten wird weder veröffentlicht, noch wird die Meinung der Öffentlichkeit, der Parlamente oder unabhängiger Experten aus den Bereichen Nuklearphysik, Kraftwerkstechnik oder auch nur Ökonomie im Ansatz ernst genommen. Was maßen sich diese sogenannten Volksvertreter eigentlich an? Wie kann es eine Regierung wagen, einen Vertrag abzuschließen, dessen Folgen jeden Bürger dieses Landes und vielleicht sogar dieses Kontinentes in den nächsten Jahrzehnten und darüber hinaus lebensbedrohlich gefährden könnte?

Seit Beginn der Bundesrepublik wird kriecherisch der Atomindustrie Geld des Steuerzahlers in den Hintern geschoben. Warum ist Atomstrom so billig? Weil ihn jeder über Steuern mitbezahl! Forschung, Fördergelder und Subventionen, Endlagerbetrieb, Entsorgung, Logistik, Schutz - all das wird gerne übernommen.

Selbst nach Tschernobyl hat sich daran nichts geändert. Nur hat man jetzt eine Öffentlichkeit, die sich der Risiken dieser ach so sauberen Energiequelle bewusst ist. Folgen auf die Politik hat das aber keine. Stattdessen werden zehntausende radioaktive Fässer in Endlagerstätten "versehentlich" falsch deklariert oder sogar "vergessen", fließen Subventionen und Hilfen ungestört weiter.

Mir fällt es wirklich schwer, meine Wut über diese Feigheit, diese unglaubliche Dreisthaftigkeit der an dem Atomkompromiss beteiligten Regierungsvertreter in Zaum zu halten. Dies ist ein Land, das sich Demokratie schimpft. Volksherrschaft! Ich weiß, dieses Volk ist dumm und stumpf, aber dieses Volk hat es nicht verdient, von seinen gewählten Vertretern verkauft zu werden und ebensowenig haben es die im Ernstfall einer Kernschmelze, eines Lecks oder einer anderen nuklearen Nettigkeit betroffenen europäischen Nachbarn verdient.

Es ist wahrlich eine unglaubliche Lobbyleistung der Konzerne. Man ist gut vernetzt, die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft verschwimmen gerade im Energiebereich stark. Ich kann aber dennoch den plumpen Verdacht nicht aus meinem Kopf tilgen, dass im Vorfeld dieser verrotten riechenden Sache reichlich gut gefüllte Köfferchen ihren Besitzer wechselten.

Ich kann wirklich nicht glauben, dass einfach nur Dummheit seitens der Regierenden dahintersteckt. So dumm können die nicht sein, unmöglich!

Egal ob dumm oder nicht: Man hat gründlich dafür gesorgt, dass zukünftige Regierungs- und Stimmungswechsel das einvernehmliche Geschäft nicht ruinieren: Geheimklauseln, so wird gerade allerorten gemunkelt, verhindern eine nachträgliche Zurücknahme der Privilegien. So versucht man, diesen von vorne bis hinten verfassungswidrigen Vertragskonstrukt abzusichern.

Das Bundesverfassungsgericht wird noch viel zu tun haben, davon bin ich überzeugt. Der Ausgang des Verfahrens wird dann zeigen, welche Teile dieser Demokratie noch funktionieren und welche nur gut geschmiert irgendwie laufen.

Immigranten, "Sprachpanscher", Rechte, Linke, Terroristen und Kommunisten: Sie alle haben allen Unkenrufen nicht die Macht, Deutschland, seine Einwohner und seine Gesellschaft wirklich zu gefährden. Alte Atomkraftwerke hingegen, mühsam zusammengehalten durch Spucke und gut geschmierte Vertragstexte, könnten morgen oder in ein paar Jahren tatsächlich für das "finis germaniae" verantwortlich sein. Dann gibt es nicht mehr blühende Landschaften im Osten, sondern strahlende Landschaften im ganzen Lande...



Mittwoch, 15. September 2010
Burkas, Sarazzin und Vietnamesen
Jap, nun ist es geschehen: Auch ich bedeutungsloser Blogger fache das von dem Atem vieler lauter Stimmen angefachte Feuer des Integrationsstreites mit an.

Integration, die Aufnahme von Minderheiten in eine funktionierende Gesellschaft, wird oft falsch verstanden, rhetorisch instrumentalisiert und taugt als Thema hervorragend für Schlagzeilen, Talkshows und, äh, Blogbeiträge. Grundsätzlich wird ständig darüber debattiert und man findet jederzeit jemanden, der eine grundsätzlich andere Meinung dazu vertritt als man selbst. Toller Stoff also!

Ein Fehler wird immer wieder gemacht und das ist das Verwechseln von Integration und Assimilation. Integration bedeutet, dass eine Gruppe oder ein Individuum in seinem gegenwärtigen Zustand seinen Platz in einer Gesellschaft findet. Assimilation bedeutet, dass eine Gruppe oder ein Individuum seine kulturelle Identität aufgibt und die der Gesellschaft annimmt, in die er aufgenommen werden will. Assimilation ist nicht immer freiwillig, sollte dazugesagt werden.

Politiker reden oft von Integration, meinen aber in Wirklichkeit nicht selten Assimilation. Man pickt sich kulturelle "Schwachpunkte" einer Minderheit heraus und erwartet, dass diese zum Wohle der "Integration" verschwinden mögen. Dass dabei oft und gerne übertrieben und polemisiert wird bedarf eigentlich kaum einer Erwähnung.

Integration funktioniert so nicht. Integration bedeutet, dass auch Frauen mit Kopftuch oder meinetwegen Burka über die Straße gehen dürfen und dass dies von dem Rest der Gesellschaft akzeptiert wird. Ich gehöre bestimmt nicht zu denen, die die Verhüllung der Frau gut finden oder fördern würden, aber man sollte sich stets hüten, anderen seine Auffassungen aufzuzwingen.

In Frankreich sehen das manche Politiker der korrupten Sarkozy-Dynastie anders: Burkas wurden gerade erfolgreich verboten. Neben der Abschiebung der Roma eine weitere politische Nebelkerze mit dem Zweck der Ablenkung von bedeutenderen Themen und der Anbiederung an den hüben wie drüben gefürchteten rechten Rand.

Als ob sich durch den Verbot eines Stoffstückes die Menschenrechtslage der Frau bessern würde! Während man auf der einen Seite mit dem erhobenen Zeigefinger also irgendwelche Menschenrechte zu verteidigen vorgibt verletzt man sie auf der anderen durch die Abschiebung einer unbeliebten, ja seit Jahrhunderten regelrecht verhassten Minderheit. Eine Volksgruppe wird wieder einmal pauschal stigmatisiert, schikaniert und dann mal eben ausgewiesen. Man kann fast den zivilisierten heutigen Verhältnissen in Europa dafür danken, dass man sie nicht gleich an die Wand stellt...

Folge des ganzen: Liberalere Zeitungen und Politiker regen sich ein wenig auf, Amnesty International und die UN schreiben böse Briefe und das war es.

Die Inkonsequenz geht noch weiter: Politiker verbreiten bis heute das Märchen, die Invasion Afghanistans hätte die Menschenrechtssituation in dem Land verbessert und die Rechte der Frau gestärkt. Doch in der Realität geht die Tendenz eher in die andere Richtung, kann Karsai um sich bei konservativeren Stammesfürsten einzuschmeicheln Gesetze durchboxen, die die Frauenrechte einschränken und mal eben Internetfilter für dieses ebenso arme wie unregierbare Stammesland einführen, um eine eventuelle wache Elite in Zaum zu halten.

Aber darum soll es hier nicht gehen.

In der Überschrift habe ich Thilo Sarazzin erwähnt und entsprechend sollte ich ein paar Worte zu ihm finden. Dabei will ich das eigentlich gar nicht. Sarazzin ist meiner Meinung nach eine extrem uninteressante und vergessenswerte Figur, der man eigentlich keine Aufmerksamkeit schenken sollte. Der seit Jahren für seine lockere Zunge bekannte nun baldige Ex-Bundesbankchef fühlt sich schlicht als etwas besseres und sehnt sich nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Mit der Bildzeitung findet er einen begeisterten Aufgreifer seiner kruden Thesen ("Türken sind doof!" und "Ausländer raus!" mit ein paar mehr Sätzen und etwas netter formuliert), der rechte Teil des Bürgertums applaudiert, der linke regt sich auf und die Mitte fragt sich, was der Blödsinn eigentlich soll.

Seine Methode: Bekanntes Feindbild aufgreifen, klischeegeladen ein paar genehme Fakten rauspicken und daraus eine mehrere Jahrzehnte in der Zukunft liegende pseudoapokalyptische Zukunftsversion für einen von kleine Ahmeds, Mehmends und Mohammeds überschwemmten deutschen Kindergarten direkt neben der zur Moschee umfunktionierten Kirche zu spinnen. Das ist derart abwegig, da gibt es gar nichts zu diskutieren.

Aber wir wissen ja alle, wie die Medien funktionieren. Ohne eine gute Story läuft nichts. Da zu Sarazzin jeder mit fluginsektenhaftem Drang zu Studiolicht etwas sagen muss, gibt es reichlich Stoff.

Also weg von diesem Unsinn hin zu den echten Problemen bei der Integration, die viel zu oft einfach übersehen werden. Wie oben bereits erwähnt sorgt alleine der Begriff der Integration für genug Verwirrung. Man fürchtet sich um "Parallelgesellschaften" und ignoriert fleißig, dass es bei der Integration darum geht, mit einer fremden Gruppe zu koexistieren, welche ihre Identität dabei nicht verliert. Das bedeutet, dass man sich nicht als Vermieter panisch dagegen wehrt, dass eine türkische Familie mit Kind und Kegel in sein rein deutsches Mietshaus einzieht. Das bedeutet, dass man sich anschließend nicht darüber aufregt, dass die Leute es wagen, sich in ihrer Muttersprache zu unterhalten und die Frau außerhalb der Wohnung nur mit Kopftuch anzutreffen ist.

Aber stattdessen sind Vorurteile schon in Kinderköpfen tief verankert. Als ich damals eingeschult wurde kam in meine Kleinstadtmusterschulenklasse auch ein türkischstämmiger Junge. Niemand wollte sich neben ihn setzen, nur ich war dazu bereit. Außerhalb des Sportunterrichts wurde der freundliche und lebhafte Junge, der langsam aber beständig sein Deutsch verbesserte, gehänselt und ausgeschlossen. Erst gegen Ende der 4. Klasse konnte man ihn als integriert bezeichnen.

Ich war damals ebenso schockiert über das Verhalten meiner Mitschüler wie ich es heute bin. Sogar Audrücke wie "Kümmeltürke" kamen kaum Sechsjährigen damals über die Lippen. Da fragt man sich doch, was solche Menschen denken wenn sie erwachsen sind.

Quer durch die Gesellschaft findet man einen meist unterdrückten und gerne bestrittenen Hass vor fremden Menschen / Ideen und vor allem Sprachen. Ein großer Fehler jeder Integrationsdebatte ist es, die Fehler und Probleme nur bei denen zu suchen, die in diese Gesellschaft aufgenommen werden wollen. Probleme auf Migrantenseite wird aufgeblasen und dominieren die Debatte (neben der öffentlichen Entrüstung über Wirrköpfe, die ihre kruden Ansichten verbreiten).

Halten wir es einfach fest: Es ist verflucht schwierig, in einem westlichen Industrieland aufgenommen zu werden. Eine sich nur langsam auflösende Sprachbarriere, sture und desinteressierte Behördenvertreter, hohe Anforderungen bei Tests, die fehlende Anerkennung von Bildungsabschlüssen (ein gigantisches, extrem wichtiges Problem!) und viele andere Dinge erschweren denen, die es wirklich wollen, eine erfolgreiche Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt. Fremdenhass und eine hysterische Politik, der seit langem die Vernunft fehlt, kommen noch obendrauf.

So, Vietnamesen waren auch noch in der Überschrift. Werden gerne vorgeschoben, wenn es um "gelungene Integration" geht. Ist nicht ganz falsch, aber das sind zu einem Großteil höher qualifizierte Leute, die zudem in der DDR, bzw. dem ehemaligen Gebiet der selben keine wirkliche Konkurrenz haben. Wer also sagt "Die Vientamesen integrieren sich viel besser als die Türken!" übersieht den Bildungsunterschied. So einfach ist das.

Zum Ende eine Zusammenfassung meiner Position zu der ganzen Sache: Die Debatte nervt, wird von viel zu vielen Leuten zur persönlichen Profilierung genutzt und zieht Schwachsinnsäußerungen bekannter Persönlichkeiten an wie der Dreck die Fliegen. Integration ungleich Assimilation, Kopftücher und Burkas können getragen werden solange kein Zwang dahinter steckt und wir als Gesellschaft sollten es den dringend benötigten Immigranten einfacher machen, anstatt ständig Forderungen in diese Richtung zu stecken. Die meisten von ihnen sind fleißiger und deutscher als jeder Deutsche und verdienen eine solche Behandlung nicht.



Sonntag, 25. Juli 2010
Wehrpflicht
Ich sag's direkt: Sie gehört abgeschafft. Kein Russe mehr im Osten und kein Franzose im Westen will uns mehr ans Leder (und wir ihnen offenbar ebenso wenig). Europa ist wie keine andere Region auf dem Planeten wirtschaftlich und politisch derart fest verzahnt. Abgesehen von einigen potentiellen und tatsächlichen Krisenherden im Südosten (Griechenland vs. Türkei, um ein Beispiel zu nennen) gibt es keinen Grund für ein stehendes Heer. Friede auf Erden gibt es zwar nicht, aber zumindest Frieden in Zentraleuropa.

Ich persönlich hatte das Glück, dass mir dieser unsinnige Dienst an der Waffe erspart geblieben ist. Nasenfahrrad ab, und ich kann keinen Afghani von einem Ami unterscheiden. Simple as that.

Ich bin dafür, einfach den Wehrdienst zu streichen, aber nicht ersatzlos. Warum nutzen wir nicht die Gelegenheit und bauen den Zivildienst aus, erweitern ihn außerhalb der Alten-/Kranken-/Kinderbetreuung. Möglichkeiten und Bedarf gibt es vieles und anstatt zu lernen, wie man in europäischen Mischwäldern Menschen abschießt und Waffen putzt, könnten junge Leute unter Menschen kommen, helfen, Erfahrungen sammeln, sich orientieren.

Für militärische Abenteuer in Übersee wie Somalia, Afghanistan und Kosovo nimmt man einfach eine Freiwilligenarmee wie in den USA (nur ohne Werbung an Schulen und Kindergärten seitens der Rekrutierungsoffiziere). Auch heute wird kein Wehrpflichtiger ohne ein ihn zum Berufssoldaten machendes Einverständnis in den Kampfeinsatz geschickt, weswegen die Abschaffung der Wehrpflicht nicht nur Kosten sparen, sondern wirklich nur die Menschen in die Armee führen würde, die dort auch wirklich etwas verloren haben und die es auch wirklich wollen.

Ich weiß, dass die Bundeswehr ein heikles Thema in Deutschland ist, immer noch. Der alte Beschwichtigungssatz des "Staatsbürgers in Uniform" hat die Adenauerzeit erfolgreich überdauert und fasst in drei Worten ein beliebtes Argument für eine Wehrpflichtarmee und gegen eine Freiwilligentruppe zusammen: Dass die Bundeswehr ein integraler Bestandteil des Volkes ist, dass sie Menschen zu verantwortungsvollen Staatsbürgern formt und dass eine Freiwilligenarmee genau das nicht bieten kann.

Nichts davon stimmt. Indem man mit Sturmgewehren auf Pappziele schießt und mit Panzern im Gelände herumdüst, wird man kein besserer Mensch, nur ein potentiell für seine Mitmenschen "tödlicherer" Zeigenosse. Um verantwortungsvoller Staatsbürger zu sein braucht es Wissen und Umsicht, nicht Gehorsam vor militärischen Vorgesetzten. Ich habe auch schon die Befürchtung gehört, dass sich eine von der Wehrpflicht entkoppelte Truppe zu einem geschlossenen Verein entwickeln, sich abkapseln und zu einem potentiell gefährlichen "Staat im Staate" mutieren könnte.

Warum ist das Unsinn? Weil sich schon heute die BW erheblich absetzt. Erstens wird eine stetig wachsende Zahl an Rekruten ausgemustert, zweitens sind die, die übrig bleiben nur zu einem Teil gewillt, durch den Schlamm zu robben und drittens tendiert dieser harte Kern meist eh politisch nach rechts. Dieser de facto Männerverein Bundeswehr ist schon längst ein Fremdkörper, ein eigener Kosmos mit eigenen Regeln, merkwürdigem Traditionsverständnis (Buchtipp!) und einem beachtlichen Maß Einfluss. Ich will hier nichts übertreiben, aber daran dürfte sich auch nach Abschaffung der Wehrpflicht nichts ändern.

Zum Glück scheint Boulevard-Liebling zu Guttenberg mal ausnahmsweise seinen politischen Riecher in die richtige Richtung zu drehen und zeigt sich offenbar geneigt, das hier die Beitragsüberschrift darstellende Relikt des Kalten Krieges gegen den Willen mancher konservativer Kräfte aus dem Weg zu räumen. Hoffen wir, dass es ihm gelingt. Mit dem Kostenargument kann man in heutigen Zeiten so manche alten Pfründe schröpfen...



Ich und die Politik
Fernsehen/Radio -> Bücher -> Tageszeitungen -> Magazine -> Internet.

Das ist meine "Medienkarriere" und in dieser Reihenfolge kamen auch Informationen über das politische Tagesgeschehen zu mir. Als ich noch nicht lesen konnte waren Fernsehen und Radio meine Informationsquelle. Aber ich verstand nur wenige Worte, hörte immer Berichte über Politiker, Parteien, Beschlüsse, Krieg, Frieden und anschließend immer Fußball.

Ich lernte Lesen, war in der glücklichen Lage, von Anfang an einen gut gefüllten Bücherschrank im Zimmer zu haben. So futterte ich mir Wissen an, kannte als Drittklässler die Urknalltheorie, verstand als Viertklässler die Evolution, konnte als Fünftklässler meine Relilehrerin mit einer genauen Beschreibung der Erdgeschichte beeindrucken (Ihre perplexe Reaktion: "Du bist ja ein echter Wissenschaftler!", was ich verneinte, da ich nur das Wissen anderer widergab) und bekamdur Ende der Grundschule durch das Wissen über den Holocaust meine ersten Glaubenszweifel, die dann in der 6. Klasse zum de-facto Atheismus führten . Bunte Sachbücher erklärten mir die Welt und bald kämpfte ich morgens beim Frühstück mit meinen Eltern um Teile der Zeitung. Ich las vieles einfach so, ohne es groß zu verstehen und viel zu oft, obwohl ich ein Warum-Kind war, ohne nachzufragen. (Das sollte sich noch wiederholen...) Je mehr ich las, desto mehr setzte ich mich von Altersgenossen ab. Ich spielte natürlich viel draußen (und auch N64 vor dem Fernseher), aber war immer ruhiger und verschlossener als Altersgenossen.

Mit denen konnte ich auch nicht über Politik reden. Das ist in der 5. oder 6. Klasse nichts ungewöhnlich, klar. In dem Alter hat man andere Sorgen. Die Pubertät setzt ein, der Stimmbruch blamiert dich im Musikunterricht, Lehrer verlieren ihren vormaligen Götterstatus. Ich eckte an. Ich war ein schlechter Politiker, machte mich ungewollt und oft unbewusst lächerlich.

Ungefähr ein Jahr vor meinen Altersgenossen begann ich, über Parteien und die Unterschiede zwischen ihnen Nachzudenken, las aufmerksam den sogenannten "Weltteil" der Lokalzeitung zu studieren, guckte Dokus im Fernsehen. Ich hatte zwar einen Computer, aber keinen Internetzugang und so blieb ich länger als schon damals üblich auf das Informationsdreieck Rundfunk, Magazine, Zeitungen angewiesen.

Warum ein Jahr vor meinen Altersgenossen? Nun, ich kann das deswegen so genau sagen, weil die ersten Mitschüler, mit denen ich eingermaßen vernünftig darüber reden konnte, in der Stufe über mir waren. Der Pausenhof wurde zum Forum, zum Platz hitziger Debatten und rhetorischer Duelle ohne Publikum in einer ruhigen Ecke. Randfiguren unter sich.

Worum ging es? Um Politik und mein Verhältnis zu ihr. Wie jeder andere Mensch auch bin und war ich ziemlich naiv. Lange, für meinen Geschmack in der Retrospektive viel zu lange, nahm ich Geschriebenes und Gesprochenes für bare Münze, ohne Einschränkung. Doch ein Ereignis veränderte meine Medienauffassung: In der 7. Klasse zeigte uns der Religionslehrer eine Doku über die Zeugen Jehovas. Wobei, Doku ist das falsche Wort. Es war ein Hassfilm, ohne Zweifel. Ich war schon damals fern jeglicher Sympathie für diese Gruppe, aber immer und immer wieder grausige Beschreibungen von Kindesmisshandlung gemischt mit Einschüben zornig-düster gehauchter Bibelzitate waren für mich absolut offensichtlich und unerträglich. Mein Religionslehrer (eng mit der Familie befreundet und seeeehr christlich) stand da offensichtlich voll hinter und war auch zufrieden, als meine Mitschüler anschließend kritiklos den Inhalt wiedergaben, ohne auch nur ein bisschen zu hinterfragen oder die zweifelhaft-manipulative Machart zu bemerken. Ich kam mir vor wie ein Einäugiger unter den Blinden und nahm in einem wütenden Redeschwall den Film auseinander.

Doch ich erntete Unverständnis, sowohl von den Mitschülern als auch vom Lehrer.

Das war eine Zeitenwende für mich. Ich will mich jetzt nicht als unfassbar überlegen zu dieser Zeit darstellen, denn was den anderen an meinem Wissen und kritischen Denken fehlte, machten sie durch weit überlegene soziale Fertigkeiten wieder wett (etwas, was ich lernen musste). Aber dennoch hat es mich überrascht. Das war eine Gymnasialklasse, die einfach schluckte, was sie vorgesetzt bekam.

Ich begann, alles zu hinterfragen. Kritisches Denken wurde zu einem ständigen Begleiter. Es kam wie es kommen musste: Der Graben zu meinen Mitschülern wuchs. Zudem stieß ich auf Verschwörungstheorien und anderes Machwerk, das genau in meinen damaligen Gemütszustand passte. 9/11, das war für mich zu dem Zeitzpunkt klar, war ein Komplott. Ich machte genau die Fehler, die ich anderen vorwarf und wählte Informationen selektiv und einseitig aus, glaubte zu schnell und zu leicht geschriebenen Worten, solange sie mir in den Kram passten.

Das sonstige politische Tagesgeschehen verfolgte ich mit wachsender Aufmerksamkeit. Als meine "Verschwöreritis" abklang, wurden die Politikteile von Spiegel, Focus und Stern zu meinen Hauptinformationsquellen. Das Fernsehen begann ich abzuschreiben und nur noch für Vorabenddokus zu nutzen. Nachdem ich vorher Historiker werden wollte (jeder ist mal jung...), war nur Journalist mein Traumberuf. Ab der 8. und 9. Klasse wurde es schon schwierig, mit meinen Eltern und anderen Erwachsenen über Politik zu sprechen, denn ich nutzte um meine Argumente zu untermauern oft und gerne ein unbarmherziges Faktenbombardement. Zum Glück kannte ich zu dem Zeitpunkt ähnlich tickende Mitschüler, die mich oft in leidenschaftliche Diskussionen verwickelten.

Mit der Zeit wanderten meine politischen Ideale von links zur Mitte hin, bis ich dann nach langen Jahren des Herumirrens zwischen den Stühlen und Parteien meine Richtung fand: Ich bin ein Progressiver, was in etwa dem entspricht, was ein Amerikaner "Liberal" nennen würde. Wobei mit der Zeit Einschränkungen hinzukamen, beispielsweise bin ich kein Freund direkter Demokratie.

Problem: Ich fühle mich von keiner Partei vertreten. Die konservative CDU ist mein natürlicher Feind, die post-schröderische SPD ein Feind jedes klar denkenden Menschen, die Grünen sind zu weltfremd, naiv und unrealistisch, die FDP wurde von Westerwelle und den ständigen Koalitionen mit der Union ruiniert. Die Linke wiederum präsentiert sich als eine Mischung aus armseligen Ex-SEDlern, noch armseligeren Ex-SPDlern, ziellosen, entscheidungslosen Menschen, die sich im Stich gelassen fühlen (meinetwegen zu Recht, aber was habt ihr in der Politik zu suchen?) und Leuten, die rechts und links nicht unterscheiden können. Mit vielen Punkten der Piraten stimme ich überein, aber was ist nach dem furiosen Medienstart mit der Partei passiert? Die Öffentlichkeitsarbeit ist nicht selten ungeschickt und unprofessionell; Vertreter haben gegen etablierte Politiker in Podiumsdiskussionen keine Chance und allgemein fehlt ein Gesicht. Tauss macht nur Ärger und zählt nicht.

In meiner Not verkläre ich schon die alten Tage der FDP, als sie noch mit der SPD koalierte, und wünsche mir diese Partei zurück.

Tja, soviel zu meinen politischen Grundauffassungen und wie ich da hin gekommen bin. Dieser fast schon autobiographische Beitrag ist als Einleitung und Grundlage späterer Äußerungen zum politischen Tagesgeschehen zu verstehen, von denen es mit Sicherheit genügend geben wird. Er soll Fragen vorbeugen und mir in nächster Zeit Erklärungen ersparen.

P.S.
Hier sollte ursprünglich ein anderer Text stehen, aber der war noch viel verschwurbelter und ging zu sehr in die (teils persönlichen) Details. Manchmal muss man sich trauen, die Arbeit einer Stunde mit einem Tastendruck zu vernichten und noch einmal völlig von vorne anzufangen...



Mittwoch, 14. Juli 2010
Machtverhältnisse
Wer hat in der Welt eigentlich Macht? Wer kann wirklich Dinge und Menschen beeinflussen, Interessen für eine wichtige Gruppe effektiv vertreten? Wie sieht die Ausübung dieser Macht aus?
Wenn man aus bequemer Distanz das durch die kleine Zahl der Nachrichtenagenturen und Verlagshäuser gefilterte und aufbereitete Tagesgeschehen beobachtet, dann ist es überraschend schwer, diese Frage zu beantworten. Macht scheint von prominenten Einzelpersönlichkeiten auszugehen, die sie ausüben, in dem sie vor Fernsehkameras und im Blitzlichtgewitter darüber sprechen oder sprechen lassen. Stets sind gewählte wie ungewählte Häupter bemüht, dabei seriös in die Kameras zu blicken und, je nach Situation, entweder bieder lächelnd oder ernst dreinblickend etwas zu sagen. Oft wird dazu auf erschreckend primitive Mittel zurückgegriffen: So wird Bedauern oder Bestürzung allermeistens ausgedrückt, indem schlicht festgestellt wird, man sei bedauert oder bestürzt. Die Medien übernehmen das dann einfach und berichten brav, Politiker/CEO/Promi Soundso sei bestürzt über diesen oder jenen Sachverhalt und zitieren, bzw. zeigen dann den entsprechenden Ausschnitt der Rede.

Das restliche Gesagte besteht dabei zu einem erschreckend großen Teil aus Floskeln und Wiederholungen. Wichtige Anwesende werden namentlich oder zusammenfassend begrüßt (natürlich stets beide Geschlechter einschließend) und nach langem Anlauf und zahlreichen rhetorischen Winkelzügen wird das eigentliche Thema des Tages behandelt.

Das Problem: Die mit diesen Reden adressierte Öffentlichkeit bekommt kaum etwas von einer solchen Rede, von einer solchen Verlautbarung mit. Wahlkampfveranstaltungen werden nur von einem Bruchteil der Bevölkerung besucht und wenn sonst auf lohnenswerten öffentlichen wie geschlossenen Versammlungen ein Politiker oder Firmenlenker oder eine andere mehr oder minder bedeutende Person spricht, dann spricht er meist zu genau zwei Gruppen: Journalisten, die oft nicht mehr tun, als das Gesagte mehr oder weniger geschickt zu News zu verpacken, um es dann an den Rest der Menschheit/Zielgruppe zu senden und überzeugten Anhängern des Vortragenden.

Wenn man regelmäßig Nachrichten sieht und liest, dann entsteht der schlicht falsche Eindruck, Politik, Wirtschaft und Kultur, bzw. ihre jeweilige Ausübung von Macht bestünden nur aus Pressekonferenzen (und vielleicht noch Interviews, aber darum soll es hier nicht gehen). Diese folgen nahezu alle einem festgelegten und seit Jahrzehnte nahezu unverändert zelebriertem Schema: Ein hinreichend großer Raum ist mit einer entsprechend großen Bühne und/oder einem Rednerpult ausgestattet. Dazu gibt es eine begrenzte Anzahl an Sitzplätzen, auf denen sich Journalisten, Kameraleute und Fotografen tummeln. Eine Tür wird geöffnet, mehrere sich die Knöpfe am Sakko schließende Personen treten mehr oder weniger geschickt lächelnd ein und versammeln sich im aufflammenden hektischen Blitzlichtgewitter frontal vor der Presse.

Reden werden verlesen, Verlautbarungen und Beschlüsse, Erfolge und Misserfolge werden vorgetragen und am Ende gibt es ein paar Minuten für Fragen aus dem Publikum, äh, dem Pressepool.

Das alles, was ich gerade mit verschwenderisch ausführlichen Worten beschrieben habe, ist nicht ungewöhnlich, erreicht aber durch seine Redundanz und Gleichförmigkeit eine enorme Absurdität, die schlicht aus Gewöhnung oft, viel zu oft, nicht erkannt wird. Die gesamte Weltöffentlichkeit und mir ihr nahezu alle machtausübenden Personen und Organisationen haben sich an diese Art der Einbahnstraßenkommunikation gewöhnt. Seit es Massenmedien mit Reichweite gibt, gibt es solche Veranstaltungen. Radio, Kino und Fernsehen zementierten dann nach der Zeitung das heutige Erscheinungsbild.

Aber wie zeitgemäß ist die Institution Pressekonferenz noch? Hat es nicht nach Zeitung, Radio, Kino und Fernsehen ein neues Medium geschafft, Risse in das scheinbar so stabile Medienfundament unserer Gesellschaften zu treiben? Ich rede von der zarten Pflanze Internet, die offenbar dabei ist, diese steinerne Säule zu zerreißen.

Doch das ist ein Trugschluss. In Wirklichkeit stabilisiert sie die seit Jahrzehnten etablierten Machtverhältnisse in Öffentlichkeit und Medienwelt. Verlagshäuser, die schon lange vor dem Internet Bedeutung hatten, haben dies auch heute noch. Selbst die Webpräsenzen von Fernsehsendern sind überraschend populär und oft besucht. Spiegel, Zeit, Süddeutsche, Welt, Bild, usw. dominieren auch online den Nachrichtenmarkt und damit die Meinungsbildung. Zwar gibt es nahezu immer die Möglichkeit zu kommentieren und zu diskutieren (trotz absurder Einschränkungen wie bei der Süddeutschen, wo man nur tagsüber und nicht an Wochenenden und Feiertagen Beiträge schreiben darf), aber an dem alten Verhältnis zwischen Medien und Empfängern, zwischen, überspitzt formuliert, Herrschern und Beherrschten ändert das wenig.

Genannte Medien denken bereits darüber nach, bzw. experimentieren schon damit, sogenannte "Paywalls" vor ihre Text- und Bildbeiträge zu schieben, die nur von dem zahlenden Interessierten überwunden werden können und nichts anderes zu bedeuten, als die Zeitung 1:1 ins Netz zu übertragen.

Hoffentlich sind solche Dinge zum Scheitern verurteilt, aber darum soll es hier nicht gehen.

Es geht in diesem Text um Macht und Macht gehört in der Welt denen, die kommunizieren. Politiker und andere Institutionen des öffentlichen Lebens kommunizieren über die Medien mit den indirekt Beherrschten und über die kaum in der Berichterstattung sichtbaren "Hinterzimmer" mit direkt Untergebenen. Doch die wahren Mächtigen, zumindest in Ländern mit halbwegs freien Wahlen, sind die Medien selbst. Ihre Kernkompetenzen liegen bei Weiterleitung, Veränderung, Kommentierung und Schaffung von Informationen und Meinungen.
Durch ihre enorme Reichweite und Reputation sind sie sowohl die wahrscheinlich mächtigste Partei im Land und als solche haben sie ein enormes Interesse daran, dass vorhandene Machtverhältnisse und auch die dazugehörigen Riten wie dieser Anachronismus Pressekonferenz mit all seiner unfreiwilligen Komik erhalten bleibt.

Die Frage ist: Wird sich daran jemals etwas ändern? Bietet das (noch) in seiner Grundstruktur neutrale Internet mit all seinen noch unerkannten Möglichkeiten nicht die Chance, eine neue Form der Kommunikation zwischen den Mächtigen und denen, die ihre Macht erst ermöglichen zu etablieren?

Im antiken Griechenland mit seinen Stadtstaaten, der Wiege unserer heutigen Demokratien und vieler ihrer Elemente, wurden die Frühformen der Rhetorik inmitten der Zielgruppe entwickelt und erprobt. Der Wähler war in unmittelbarer Nähe und seine aktive Beteiligung war ebenso selbstverständlich wie erwünscht. Wortgefechte konnten entstehen und bei überzeugender Argumentation konnte ein Niemand aus der Menge eigentlich feststehende Entscheidungen massiv beeinflussen. Auch in der römischen Republik war dies zumindest in Rom möglich und kam auch vor.

Oder so ähnlich. Politiker heute reden gerne von pluralistischer Meinungsbildung, dabei ist die Anzahl der Stimmen, die zu dieser Meinungsbildung beitragen erschreckend gering und es ist schwer, in diesen illustren Kreis aufgenommen zu werden. Menschen haben wie einst zu Zeiten von Monarchie und Unterdrückung das Gefühl, sie würden nur beherrscht und könnten mit ihrem Kreuzchen auf den Stimmzetteln nur wenig beeinflussen. "Politikverdrossenheit" ist ein beliebt gewordenes Schlagwort, mit dem meist die zu dieser unangenehmen Stimmung beitragenden Personen und Institutionen das Phänomen beschreiben. Fehlendes Interesse seitens der Wähler ist aber das Todesurteil jeder Demokratie, denn diese Regierungsform lebt vom aktiven und seiner Rechte bewussten Bürger.

Doch wie und wo kann man sich heute noch aktiv einbringen? Man könnte den Schneckenweg durch eine der etablierten Parteien wagen. Man könnte einen Leserbrief oder einem Politiker direkt schreiben und hoffen, dass der Text gelesen wird und irgendwas bewirkt. Man könnte in Foren Kommentare verfassen oder wie ich einen Blog starten. Doch in allen genannten Fällen ist es ein langer, manchmal beschwerlicher Weg, auf dem man ständig ein Damoklesschwert mit der demotivierenden Aufschrift "Das bringt eh nichts!" über seinem Kopf schweben sieht. Oft bemerkt man die unheilvolle Klinge auch schon im Vorfeld und beschließt, ob der drohenden Gefahr es ganz zu lassen.

Was die Demokratien dieser Welt brauchen ist eine neue Form des Meinungsaustausches, eine neue Form der politischen Beteiligung des Wählers. Ich rede nicht von Basisdemokratie, denn dies ist eine gefährliche und potentiell diskriminierende und destabilisierende Form der Demokratie, sondern von einem neuen "Forum" im ursprünglichen Sinne. Im Internet sind Foren Orte des geregelten Meinungsaustausches in Textform. Ich schlage vor, dieses eigentlich alte und bewährte Instrument neu zu nutzen.

Mir schwebt dabei ein anonymes System vor, das nicht auf hierarchische Elemente verzichtet, sondern sie als Mittel zur Organisation und Etablierung sinnvoller Einzelmeinungen nutzt.

So soll es aussehen: Es ist ein Forum, das zunächst konventionell wirkt. Jeder Nutzer ist garantiert anonym. In jeder Diskussionsrunde wird die angemeldete Nutzerbasis zufällig in kleine Zellen von maximal 100 Nutzern aufgeteilt (Größe abhängig von der gesamten Benutzerzahl). Jede neue Runde erstellt neue Zufallsnamen für alle Teilnehmer, sodass eine persönliche Identifikation unterbunden wird. Moderation erfolgt fast ausschließlich durch Mehrheitsbeschlüsse. Nur in Extremfällen sollen Moderatoren von außen in diese geschlossene Diskussion eingreifen können. Behandelt werden aktuelle tagespolitische Themen oder wichtige Dinge des öffentlichen Lebens. Es gibt immer nur ein Thema, das parallel in allen Zellen behandelt wird. Die Idee ist nun, dass sich in diesen begrenzt großen Zellen, die gewissermaßen die Dynamik einer öffentlichen Debatte in einem Parlament abbilden sollen, einzelne Personen mit ihrer Auffassung durchsetzen und es am Ende zu einer möglichst hitzigen Debatte zwischen wenigen Teilnehmern kommt. Den übrigen Teilnehmern steht es selbstverständlich jederzeit frei, auch spät einzugreifen. Die Idee ist jetzt, dass die wichtigsten 2 Nutzer aus jeder Zelle von den übrigen gewählt werden und es so in die nächste Ebene schaffen. Zusätzlich werden noch 10 Nutzer zufällig ausgewählt, die diesen zwei Personen folgen, aber in der nächsthöheren Ebene und Zelle nur über ein Stimmrecht verfügen.

Die Größe der einzelnen Zellen in den nächsten Ebenen bleibt zunächst gleich, wird dann aber schrittweise reduziert. Die Idee ist jetzt, dass sich die geschicktesten und eloquentesten Beitragsschreiber durch einen evolutionären Prozess ausgesiebt werden. Dabei werden wir in den einzelnen isolierten Zellen (die Beiträge können erst nach Abschluss der Debatte von Außenstehenden gelesen werden) alle Kniffe und Grundzüge der öffentlichen Debatte beobachten können und deutlich erleben, wie Demokratie in einem kontrollierten Umfeld funktionieren kann.

Ganz am Ende dieses sich wie eine Pyramide zuspitzenden Vorganges soll dann ein einzelner Raum mit nur 10 Teilnehmern, aber einer ungleich größeren Anzahl an Lesern und Stimmberechtigten stehen. Dieser Raum wird offen für alle sein und eine (hoffentlich) konzentrierte und effektive Debatte zeigen. Durch eine insgesamt große Beteiligung am "Forum" (das ist quasi eine Grundvoraussetzung) soll auch ein großes Interesse in den Medien und bei den Vertretern der Parteien entstehen. Eine neue Macht in der öffentlichen Meinungsbildung kann entstehen. So wird es ermöglicht, Demokratie und öffentliche Meinungsbildung im Schnelldurchlauf zu erleben (maximal 2 Wochen sind als Dauer einer "Runde" vorgesehen). Jeder hätte die Chance, Einfluss zu nehmen. Klar, auch hier wird es Kompromisse, falsche Absprachen und Populismus geben, doch ich sehe dieses Forum als eine große Chance, eine einmalige Möglichkeit, vorhandene Strukturen wenigstens zu ergänzen und erweitern und Politik wie Kommunikation in der Gesellschaft wieder unmittelbarer, näher und glaubwürdiger zu machen.

Dieses hypothetische Forum soll keine tatsächliche Macht besitzen, sondern Einfluss und Bedeutung nur durch die rege Beteiligung und die Brillanz der darin stattfindenden Debatten gewinnen. Es ist eine Idee, die spontan während des Schreibens dieses Blogeintrages entstanden ist und daher sicherlich in vielen Punkten unausgereift und verbesserungswürdig ist. Ich fürchte fast, dass ich nicht die erste Person mit einer solchen Idee bin und wäre sehr dankbar über Kommentare, Meinungen und natürlich eine allgemeine Weiterempfehlung dieses jungen Blogs.

Die vorhandenen Machtverhältnisse in der Welt können verändert werden. Es ist an der Zeit, sich von den Medien- und Kommunikationsregeln des 20. Jahrhunderts zu verabschieden und neue Wege zu bestreiten!